Aktuelles Juni 2024

 

 

 

 

 

 

Die Transformation überrollt Deutschland. Abwehr und Ohnmacht sind die Folgen. Doch beides ist ein Holzweg. Grundbildung in Veränderung ist nötig. Ein Appell für ein Transformationsbildungswerk fürs 21 Jahrhundert.

 

von Wolf Lotter

 

Alle reden von der Transformation – und zwar wild durcheinander. Es ist ein anpassungsfähiges Wörtchen, das in seinem lateinischen Ursprung nichts anderes bedeutet als Verwandlung. Mit diesem Wort verbinden die meisten Menschen das, was geschieht, wenn ein Zauberkünstler auf der Bühne das Kaninchen aus dem Hut zieht. Transformation, das ist ein dankbares Wörtchen, wie nachhaltig oder achtsam. Wer würde sich nicht damit identifizieren? Womit wir beim Problem wären. Wo alle sich schnell auf etwas einigen können, ist das, was dahinter steckt, meist nur fauler Zauber. Transformation ist ein Wieselwort geworden, ein Begriff, den jeder nutzen kann, wie es ihm passt. Und das entwertet die wahrscheinlich wichtigste Übung unserer Zeit.

 

Von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft

 

Was ist Transformation? Auf der großen Bühne der Geschichte vollzieht sie sich seit vielen Jahrzehnten. Die Industriegesellschaft, die sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts gebildet hat und bis heute unsere Kultur und unser Denken bestimmt, verwandelt sich allmählich in eine Wissensgesellschaft. In dieser Welt sind Wissen, Ideen, Innovationen und die Fähigkeit zur Veränderung und zum Hinterfragen alter Gewissheiten Ressourcen und Grundtugenden zugleich. Die Wissensökonomie ist keine „Erfindung“ des digitalen Zeitalters, sondern sie entstand bereits in den Tagen des „Goldenen Zeitalters“, der zweiten industriellen Revolution der Gründerzeit, in der nicht mehr die reine Quantität der industriellen Arbeit, Masse und Output, zählte, sondern die Innovation. Vordenker wie Joseph Schumpeter erkannten das Potenzial bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als er mit seiner „schöpferischen Zerstörung“ den kulturellen und wirtschaftswissenschaftlichen Rahmen setzte. Später waren es Denker wie Peter Drucker, die dem klassischen industriellen Management rieten, von der Doktrin des Plans und der Massenproduktion abzugehen und sich an strategisches Denken und Wissensarbeit heranzuwagen. Dabei geht es nicht nur – wie im Silicon Valley und der Internetwirtschaft – um technologisch getriebene Veränderungen. „Wissensarbeitende wissen über ihre Arbeit mehr als ihre Chefs“, dieser bedeutende Satz von Drucker zeigt, wohin die Reise längst geht: Emanzipation und Selbstbestimmung bei der Arbeit, ihrer Organisation, dem Wissen und der Fähigkeit, dieses Wissen auch anderen zugänglich zu machen, das sind die neuen bestimmenden Faktoren. Die „Chefinnen“ und „Chefs“ sind die Führungskräfte, die dafür die optimalen Rahmen gestalten. Aus den alten „Wirtschaftskapitänen“ werden „Reisebegleiter“, die den Spezialistinnen und Spezialisten die optimalen Bedingungen bieten, von denen letztlich Innovation und Fortschritt profitieren.

 

Produktivität steigt unaufhörlich

 

Heute sind mehr als 42 Prozent aller deutschen Beschäftigten mwd bereits Wissensarbeitende, Teil des euphemistisch „wissensbasierte Dienstleistung“ genannten Sektors – deutlich mehr als das Doppelte der industriellen Beschäftigtenbasis, die weiterhin dramatisch abnimmt. Es ist keine Deindustrialisierung, wie behauptet wird, im Gegenteil. Die Produktivität steigt unaufhörlich, aber nicht mehr auf der Grundlage jener industriellen Routinearbeit (Fließband etc.), wie wir das lange gewohnt waren. Fabriken sind Hightech-Produktionsstätten, viele Rechner, Algorithmen, Roboter – und Spezialisten. Nun setzt die schwache (!) Künstliche Intelligenz, die nicht denkt, aber hervorragend Routinen abarbeiten kann, auch die klassischen Routinearbeiten im Büro vor die Tür. Wir wissen das seit Langem. Reagiert hat die Politik nicht, aus Angst, Wähler, Mitglieder und Lobbies zu verschrecken. In Schulen und in der „Tagesschau“ wird da fälschlicherweise immer noch die „Industrienation Deutschland“ beschworen, die sie de facto seit den 1970er Jahren nicht mehr ist, wie man beim Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe nachlesen kann, aber „nicht weggeht, wenn man nicht an sie glaubt”, wie Philip Dick es ausdrückte.

 

Was brauchen wir? Erstmal eine Inventur, die deutlich macht, was wir wissen, was wir bereits tun, und die Schlussfolgerung daraus: Wir werden künftig viel weniger jeden Tag das Gleiche tun, aber dafür viel öfter persönliche und neue Probleme unserer Kunden lösen. Wer mit alten Industrieköpfen denkt, für den ist das „Service“, den es eben braucht, weil die Maschine, die Fabrik, die Industrie, der vermeintliche „Herzschlag“ der Wirtschaft, das halt nötig hat gelegentlich. Die Denkrichtung ist falsch. Wir bauen, entwickeln, produzieren und reproduzieren, damit wir mit Software, Innovationen, „Brainware“ das Geschäft machen. Nicht die Petroleumlampe macht uns reich. Sondern das Petroleum, das wir verkaufen –und dieses Petroleum ist Wissen, Know-how.

 

Bildungswerk für Transformation

 

Wir müssen lernen. Deshalb tun sich gerade Transformationsexperten aus Deutschland und Österreich zusammen und arbeiten an einem Netzwerk des gegenseitigen Wissensaustausches, einem „Bildungswerk für Transformation“ – das wir dringend nötig haben. Darin werden Erfahrungen und Know-how mit dem Umbau von Industriezonen in Innovationsgebiete ausgetauscht, aber auch jene dringend nötigen Zusammenhänge hergestellt, die es in Schulen, an Universitäten, in der Verwaltung und Politik braucht, damit wir wissen, was wir wissen. Deutschland kann keine alte Industrienation bleiben, weil sie das schon längst nicht mehr ist. Aber die Förderung des Bewusstseins für den harten Kern der Transformation, den Weg in die Wissensgesellschaft, kann helfen, wieder ganz vorn zu sein, bei Ideen, Produkten, bei der Schaffung von Wohlstand und Sinn. Das Ministerium für Veränderung ist eine Chiffre für die Arbeit, die vor uns liegt – gerade in den Einheiten, in denen Politik und Bürger, Zivilgesellschaft und Verwaltung sich täglich begegnen. Die große Transformation ist harte Arbeit, aber ehrliche Arbeit, denn sie macht uns klar, was wir uns – zu Recht – zutrauen dürfen: eine bessere Zukunft gestalten zu können, weil wir wissen, wie man das macht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wolf Lotter ist Autor und Essayist für Transformationsthemen, war Gründungsmitglied und langjähriger Leitessayist von „brand eins“ und schreibt heute Kolumnen (etwa für die „Wirtschaftswoche“ und „tazFutur2“) und Bücher über sein Leitthema Veränderung in Arbeit und Gesellschaft. Er ist Ideengeber und einer der Protagonisten eines Bildungswerks für Transformation.

 

 

Junge Bürgermeister*innen, die Interesse haben, sich in die Arbeit des Ministeriums für Veränderung einzubringen, melden sich bitte bei:
netzwerk@junge-buergermeister*innen.de oder wolflotter@googlemail.com


Aktuelles Juni 2024

Trotz Rechtsruck: Junge Menschen engagieren sich für lokale Demokratie

Am 9. Juni wurden gleich zwei „Jüngste Bürgermeister Deutschlands“ gewählt.

 

Deutschland hat am Sonntag einen Rechtsruck erlebt. Nach den Europa- und Kommunalwahlen stehen die Wahlerfolge der rechtspopulistischen AfD im Fokus. Viele fragen sich: Wie konnte das passieren, und was können wir tun? Trotz Korruptions- und Spionagevorwürfen sowie Massendemonstrationen nach den Correctiv-Enthüllungen konnte die Partei insbesondere in Sachsen und Thüringen beachtliche Ergebnisse erzielen, ohne dabei in Thüringen eine Landrats- oder Bürgermeister-Stichwahl zu gewinnen.

 

Hinzu kommt ein Rechtsruck bei der jungen Generation, wie die Studie "Jugend in Deutschland 2024" im Frühjahr konstatierte. Besonders die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen sei in diesem Jahr noch einmal deutlich gesunken. „Während die Parteien der Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf." sagte Studienleiter Hurrelmann der dpa.

 

Hoffnung durch lokale Wahlergebnisse

 

Doch trotz dieser besorgniserregenden Trends zeigen einige Wahlergebnisse bei den Bürgermeisterwahlen vom vergangenen Sonntag ermutigende Entwicklungen, überraschenderweise vor allem in Thüringen. Hier setzen junge Menschen durch ihre Wahlsiege ein starkes Zeichen für die lokale Demokratie und zeigen, dass allen Unkenrufen zum Trotz die Demokratie vor Ort eine Zukunft hat und politischer Wandel möglich ist. 

 

Ein herausragendes Beispiel ist die Wahl des 23-jährigen Patrick Albrecht zum hauptamtlichen Bürgermeister der Stadt Gößnitz im Altenburger Land. Mit beeindruckenden 60,4 Prozent der Stimmen setzte sich der parteilose Albrecht in der Stichwahl durch und wird der jüngste hauptamtliche Bürgermeister Deutschlands, der erst des Jahrgangs 2000. Albrecht, der ein duales Studium zum Diplom-Verwaltungswirt absolviert, hatte zuvor im Gößnitzer Rathaus eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter abgeschlossen. Seine Wahl zeigt, dass junge Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft ihrer Gemeinden aktiv mitzugestalten.

 

Weitere junge Wahlsieger

 

Und Patrick Albrecht ist in Thüringen nicht der einzige junge Wahlsieger. In Bad Lobenstein im Saale-Orla-Kreis gewann Dominik Kirsten (*1993) von der Lobensteiner Bürgerliste die Stichwahl und wird neuer Bürgermeister. In Waltershausen im Kreis Gotha siegte der 26-jährige Leon Graupner mit 61,4 Prozent der Stimmen. Auch die beiden jüngsten Bürgermeisterinnen Deutschlands setzen in Thüringen Zeichen: Sina Römhild aus Oechsen im Wartburgkreis und Lisa Marie Pfaff aus Roßdorf/Rhön sind bereits seit zwei Jahren im Amt und haben sich als junge Bürgermeisterinnen bewährt.

 

Am Sonntag wurden sogar zwei jüngste Bürgermeister Deutschlands gewählt. Neben Patrick Albrecht ist in Rheinland-Pfalz auch ein neuer jüngster ehrenamtlicher Bürgermeister Deutschlands gewählt worden. Der 21-jährige Elias Metz (*2002) gewann die Wahl zum Ortsbürgermeister in der Gemeinde Bornich (Verbandsgemeinde Loreley).

 

Positive Zeichen für die lokale Demokratie

 

Diese Entwicklungen sind ein ermutigendes Zeichen für die lokale Demokratie – nicht nur in Thüringen. Trotz der Herausforderungen, vor denen viele Gemeinden stehen, zeigen junge Menschen, dass es sich lohnt, sich für den eigenen Ort zu engagieren. Ihr Einsatz und ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, machen Hoffnung und könnten den Beginn eines positiven Trends markieren.

Michael Salomo, Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz und Vorsitzender des parteiübergreifenden Netzwerks Junge Bürgermeister*innen, betont: „Seit der Gründung des Netzwerks 2019 ist zu beobachten, dass junge Menschen immer häufiger aktiv für ihre Kommune Verantwortung übernehmen und die Zukunft gestalten wollen.“

 

 

Das Engagement dieser jungen Politiker*innen ist ein wichtiges Signal für die Demokratie. Sie zeigen, dass politische Teilhabe und Verantwortung nicht vom Alter abhängen, sondern vom Willen, etwas zu bewegen. Diese neue Generation kann der Schlüssel sein, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und die Demokratie auf lokaler Ebene zu stärken.


Aktuelles Februar 2024

Die Enthüllungen von "Correctiv" über das Treffen rechtsextremer Aktivisten rund um die AfD und deren Deportationspläne haben uns alle sehr bewegt. Wir lehnen derartige Bestrebungen entschieden ab und haben daher beigefügten Aufruf verfasst. Parteiübergreifend haben schon 119 junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus allen Flächen-Bundesländern unterzeichnet. Hier der komplette  Aufruf

Download
Aufruf NJB 2024.pdf
Adobe Acrobat Dokument 211.9 KB

*** Für eine Beteiligung am Aufruf wurde zunächst nur in einer Rundmail bei den ca 150 Mitgliedern des Vereins geworben. Inzwischen wenden sich zunehmend Bürgermeister*innen jeden Alters an uns und fragen, ob und wenn ja, wie sie den Aufruf mitunterzeichnen können. Das ist natürlich möglich. Einfach eine Mail mit euren Angaben an netzwerk@junge-buergermeisterInnen.de schicken ***


Aktuelles 9. Februar 2024

Politisches Stalking als neuer Straftatbestand? Sachsen will eine Länder-Initiative zum Schutz von Kommunalpolitikern anschieben.

Das ARD-Mittagsmagazin hat heute darüber berichtet und u.a. auch mit uns darüber gesprochen. Aber wie es immer so ist: In den Beitrag hat es leider nur einen einziger Satz aus dem Interview geschafft. Darum hier einmal auch die weiteren Antworten:

 

Wie viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister berichten von Angriffen und Bedrohungen?

Laut einer Forsa Befragung von 2021 gaben rund 70 Prozent der befragten Bürgermeisterinnen an, schon einmal beleidigt, bedroht oder sogar tätlich angegriffen worden zu sein, bei Frauen sogar mehr. Nach unsren Beobachtungen stagniert die Zahl auf hohem Niveau

Welche Form ist besonders häufig?

Von Sachbeschädigung wie zerkratztem Auto bis zu konkreten Bedrohungen oder auch Morddrohungen. Aber auch subtile Formen wie „ich weiß wo du wohnst“ oder „ich weiß, wo deine Kinder zur Schule gehen“ ist alles dabei.

Sind Amtsträger im lokalen Bereich besonders gefährdet und wieso?  

Lokalpolitiker*innen sind besonders nahbar, sie sind vor Ort ansprechbar, das ist ihre große Schwäche und zugleich auch die wichtigste Stärke für eine funktionierende Demokratie vor Ort.

Wie hat sich die Bedrohungslage in den vergangenen Jahren, besonders mit Blick auf Corona, entwickelt?

Der Ton ist deutlich rauer geworden, besonders gefördert durch die sozialen Medien

Was ist die Konsequenz daraus? Gibt es viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die deswegen aufgeben?

Ein Rücktritt kommt eigentlich nicht sehr oft vor und wenn hat er ja meistens zahlreiche Gründe. Das Amt ist oft geprägt durch vielfältige Belastung – ständige Ansprechbarkeit – schlechte Work-Life Balance, da ist eine zusätzliche Verunsicherung durch Hass und Gewaltdrohungen dann mitunter der Tropfen der das Fass zu Überlaufen bringt. Die größere Gefahr ist, dass sich viele Menschen gar nicht erst trauen, für ein kommunales Amt zu kandidieren.

Immer öfter hören wir, dass "Protestzüge" vor die Wohnorte von Amtsträger, bis hin zum Ministerpräsidenten von Sachsen, ziehen. Ist das aus Ihrer Sicht ein auffälliges Problem? Was löst das aus?

Dass, was es bei jedem Auslöst. Angst und Verunsicherung und dass man seine Familie nicht schützen kann. Da kommt dann schon die Frage auf, ob es das wirklich wert ist.

Die sächsische Justizministerin möchte das "politische Stalking" einführen, der genau solche "Proteste" und subtile Einschüchterungen unter Strafe stellen soll. Wie bewerten Sie das?

Das ist unbedingt begrüßenswert. Es sind ja oft nicht die konkreten Straftatbestände – da kann man Anzeige erstatten und so auch selbst wieder in die Aktion kommen. Bei den indirekten Bedrohungen – vielleicht sogar gegen die eigene Familie steht man oft hilflos da. Und wenn es da jetzt eine Möglichkeit gibt, dagegen aktiv zu werden, dann ist das gut.

Welche Forderung haben Sie an die Politik, vielleicht insbesondere an die Justizministerinnen und Justizminister der Länder?

So lobenswert diese Initiative ist, um Hass und Hetze einzudämmen. Das Hauptproblem wird dadurch nicht gelöst. In Sonntagsreden wird immer betont, die Kommunalpolitik ist das Fundament der Demokratie, dort können die Menschen erleben, dass sich Engagement vor Ort lohnt, dass man etwas bewegen kann. Wenn vor Ort aber kaum noch etwas entschieden, sondern nur noch Bundes- und Landesinitiativen umgesetzt werden können, erleben die Menschen eben nicht mehr, dass Demokratie das eigene Leben verbessert. Und das Nutzen Populisten um Hass und Gewalt zu sähen und so ihre eigene Agenda voranzubringen.

Am Ende ist unsere Forderung an Bund und Länder: Mehr Vertrauen in die Kommunale Selbstverwaltung! Handlungsfähige Kommunen sind das beste Mittel gegen Frust, Hass und Gewalt. Weil die Menschen so erleben, dass Demokratie funktioniert.

Zusammenfassend: Wie ist es aktuell um die Sicherheit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den kleinen Städten und Kommunen bestellt?

Jeder Übergriff gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie. Gerade Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in kleinen kommunen sind nahbar, sie sind ansprechbar und nah dran an den Themen der Bürgerinnen und Bürger. Es gibt gesellschaftliche Kräfte, die durch ihre Angriffe genau diese Nähe zerstören wollen, die unseren Staat vorführen und verächtlich machen wollen. Das darf nicht geschehen. Ich denke, dass auch die vielen Demonstrationen der letzten Wochen gegen Rassismus und rechten Populismus gezeigt haben, dass ihnen das nicht gelingen wird.


Aktuelles 11. Oktober 2023

Lukas Becker: Vom Azubi zum Rathauschef

Deutschlands jüngster hauptamtlicher Bürgermeister kommt zukünftig aus Hessen

 

Der inoffizielle Titel „Deutschlands jüngster Bürgermeister“ geht nach Hessen. Am 8. Oktober 2023 wählten die Bürger*innen der Gemeinde Lautertal im hessischen Vogelsbergkreis Lukas Becker einen Tag nach seinem 26. Geburtstag zum neuen hauptamtlichen Bürgermeister. Er gewann die Wahl in der 2.300-Einwohner-Gemeinde mit 60,1 Prozent der Stimmen gegen den 58-jährigen Amtsinhaber Dieter Schäfer. Die Wahlbeteiligung lag bei 78,8 Prozent. "Mit so einem deutlichen Ergebnis hätte ich nicht gerechnet. Das ist ein klarer Auftrag für die Zukunft" so Wahlsieger Becker. Der junge Sozialdemokrat wurde im Wahlkampf neben der SPD auch von der UBG Lautertal unterstützt, während der parteilose Schäfer mit Unterstützung der CDU antrat.

 

Einer der jüngsten war Becker schon häufiger. Schon im Alter von 18 Jahren wurde er 2016 Mitglied der Gemeindevertretung in seinem Heimatort Gemünden (Felda), mit 20 Vorsitzender des dortigen SPD-Ortsvereins.

 

Besonders pikant: Als Lukas Becker im Frühjahr seinen Hut in den Ring warf, war Bürgermeister Dieter Schäfer noch sein Chef, denn Becker absolvierte seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten in der Lautertaler Gemeindeverwaltung. Inzwischen hat er seine Prüfungen bestanden. Bis zur Amtseinführung des Wahlsiegers wird es aber noch ein wenig dauern. Schäfers Amtszeit geht noch bis zum 30. Juni 2024. Bis dahin wird der designierte Bürgermeister weiterhin im Rathaus seine Arbeit verrichten. Zeit für eine gründliche Einarbeitung. Ein Wahlversprechen will Becker aber schon vorher einlösen: Seinen Umzug in die Gemeinde Lautertal.

 

Glückwünsche

Lukas Becker löst Philipp Eichler (* August 1997) als jüngsten Rathauschef der Republik ab, der im Juni 2022 im Alter von 24 Jahren und 10 Monaten zum Bürgermeister von Rothenburg/Oberlausitz in Sachsen gewählt wurde. „Herzliche Glückwünsche aus dem Herzen Europas. Ich wünsche Lukas für sein Amt viel Energie, Gelassenheit und richtige Entscheidungen.“ freut sich Eichler für seinen „Nachfolger“.

 

Michael Salomo, Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz und Sprecher des parteiübergreifenden Netzwerk Junge Bürgermeisterinnen – sowie bei seiner ersten Wahl 2014 mit damals 25 Jahren selbst jüngster Bürgermeister in Deutschland – sieht einen Trend: „Seit der Gründung des Netzwerks 2019 ist zu beobachten, dass junge Menschen immer häufiger aktiv für ihre Kommune Verantwortung übernehmen und die Zukunft gestalten wollen“. Dazu merkt Becker an: „Nur wenn man den jungen Menschen eine Chance gibt, Verantwortung zu übernehmen, können diese Erfahrungen sammeln. Und warum sollte nicht die Generation, die die Zukunft einer Kommune ist, auch die Verantwortung für die Gestaltung dieser Zukunft übernehmen?“


Aktuelles 02.05.2023

Fünf junge Frauen gehen als Vorbild voran!


Das Gesicht der Städte und Gemeinden in Deutschland - es ist in den Rathäusern nach wie vor ein männliches. Nach einer Studie des Instituts EAF Berlin aus dem Oktober 2020 ist nicht einmal jedes zehnte Rathaus von einer Frau geleitet. Der Anteil stagniert seit Jahren auf niedrigem Niveau. Damit liegt Deutschland noch unter dem europäischen Durchschnitt von 15 Prozent.

Auf Einladung von Frau Elke Büdenbender findet am 12. Mai in Schloss Bellevue ein Bürgermeisterinnen Symposium mit anschließendem Empfang statt. Als Gast wird ebenfalls teilnehmen die Gattin des österreichischen Bundespräsidenten Frau Doris Schmidauer. Für das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen ist nicht nur unsere erste Stellvertretende Bundesvorsitzende Julia Samtleben, Bürgermeisterin in Stockelsdorf beim Bürgermeisterinnen Empfang dabei, sondern es wurden auch die die fünf jüngsten Bürgermeisterinnen Deutschlands nach Berlin eingeladen.

Für eine erlebte Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein Anteil von mindestens 30 Prozent Frauen erforderlich, um zu zeigen, dass Bürgermeisterinnen nicht die Ausnahme sein müssen. Für uns im Netzwerk steht fest, es gilt diesen Kulturwandel auch in der Kommunalpolitik zu stärken und mehr Frauen zu ermutigen sich zu engagieren. Hier gehen fünf ganz junge Rathaus-Chefinnen als Vorbild voran, denn der Frauenanteil bei den Bürgermeister*innen mit Jahrgang 1996 und jünger beträgt stolze 38 Prozent!

 

Sina Römhild (*1998) ist aktuell die Jüngste Bürgermeisterin in Deutschland. Im Juni 2022 wurde sie in der Gemeinde Oechsen (Thüringen) zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin gewählt. Jüngste hauptamtliche Bürgermeisterin ist die 26-jährige Karin Gansloser, die im Februar dieses Jahres in der Gemeinde Schlat im Landkreis Göppingen in Baden-Württemberg die Wahl gewann und damit Anna-Lisa Bohn ablöste, die im Juli 2022 in der Gemeinde Ellenberg im Ostalbkreis zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Die nächste „jüngste hauptamtliche Bürgermeisterin“ steht auch schon fest. Maren Busch holt den inoffiziellen Titel nach Rheinland-Pfalz. Sie konnte sich schon im vergangenen Dezember bei der Bürgermeisterwahl in der Verbandsgemeinde Diez (Rhein-Lahn-Kreis) durchsetzen, tritt ihr Amt aber erst am 1.6.2023 an. Fünfte im Bunde ist Yvonne Heine (27) die im Oktober 2021 zur Bürgermeisterin der Gemeinde Riedhausen (Landkreis Ravensburg, BaWü) gewählt wurde. 


Aktuelles 30.11.2022

"Graue Flecken – Der bundesweite Gigabitausbau für Städte und Gemeinden muss hohe Priorität haben!“

Netzwerk Junge Bürgermeister*innen zum vorzeitigen Förderstopp für den Glasfaserausbau

  

Das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen fordert:

  1. Das gestoppte Förderprogramm muss zeitnah wieder geöffnet werden
  2. Eingereichte Anträge sind auf bestehender Fördergrundlage zu bescheiden
  3. Vorbereitete Anträge müssen auch für 2023 und in den Folgejahren entsprechend der Fördervoraussetzungen weiterhin auf einer mindestens gleichwertigen prozentualen Förderkulisse gestellt werden können
  4. Auch die Telekommunikationsunternehmen sind aufgerufen, sich beim privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau mehr zu engagieren. Und nicht „Rosinenpickerei“ zu betreiben.

 

Der Bedarf an schnellem Internet wächst in Deutschland rasant. Besonders in den ländlichen Räumen ist der Nachholbedarf enorm. Fehlende oder unzureichende Netzversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen arm und reich und bezogen auf den Netzausbau zwischen schnell und langsam spalten die Gesellschaft. Sie benachteiligen weite Teile der Bevölkerung. Bildungschancen, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft unserer Kommunen ist direkt abhängig von diesen modernen Strukturen. Hier liegt Deutschland mittlerweile mit großem Abstand hinter vergleichbaren Ländern zurück.

 

Das aktuelle Bundesförderprogramm zum Gigabitausbau ist ein großer Erfolg. Seine vorzeitige Beendigung wegen Deckelung aufgrund einer verfehlten Bedarfsanalyse führt besonders für Städte und Gemeinden zu enormen Standortproblemen. Wer glaubt hier Geld zu sparen, auf den wird in naher Zukunft ein Vielfaches an Kosten zu kommen, um gesellschaftlich, technologisch und wirtschaftlich auf Augenhöhe zu handeln.  Für die ohnehin überfällige Digitalisierung vor allen ländlicher Gebiete, hat dieser Stopp fatale Folgen für Stadt und Land. Eine positive Entwicklung wird „aus dem Stand“ von 100 auf 0 gebremst.

 

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hat uns allen die enorme Bedeutung der Digitalisierung aufgezeigt. Innerhalb kürzester Zeit sind Home-Office und Videokonferenzen zum Alltag im Berufsleben geworden. Für Schülerinnen und Schüler ist der Zugang zum schnellen Internet als Erfolgsfaktor unabdingbar. Die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen steht für unsere Städte und Gemeinden unmittelbar vor der Tür. Deutschland ist immer noch kein Glasfaserland, wie nationale und internationale Vergleiche zeigen. Wir hinken weiterhin deutlich hinterher – in Europa und in der Welt.

 

Als Netzwerk Junge Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland stehen wir für mehr als 750 junge Kolleginnen und Kollegen in allen Teilen unseres Landes, insbesondere auch in Regionen abseits großer Ballungszentren und in der Fläche. Digitalisierung hat für uns als Teil der Daseinsvorsorge einen besonders hohen Stellenwert. Die an uns aus der Bürgerschaft gestellten Anforderungen zur Verbesserung der Breitbandversorgung steigen Jahr für Jahr.

 

In Städten und Gemeinden mit hoher Bevölkerungsdichte erfolgt der Glasfaserausbau bis ins Haus in aller Regel privatwirtschaftlich. Wir beobachten in der Vertretung der Interessen unseres Netzwerks für die Städte und Gemeinden im ländlichen Raum, dass sich Telekommunikationsunternehmen aufgrund vermeintlich fehlender Wirtschaftlichkeit aus der Verantwortung stehlen. Die Kommunen sind deshalb selbst aktiv geworden und haben den Ausbau vorangetrieben.

 

Ohne finanzielle Unterstützung von Bund und Land gelingt dies nicht.

 

Die „Graue-Flecken-Förderung“ war und ist beispielhaft ein substanzieller Bestandteil in der Finanzierungsstruktur der Kommunen beim Breitbandausbau. Die starke Nutzung bestehender Fördertöpfe durch die Landkreise, Zweckverbände und Kommunen unterstreicht den Aufholbedarf hierbei.

 

Der Förderstopp des Bundes vor wenigen Tagen zeigt klar und deutlich, dass die 2022 knapp drei Milliarden Euro zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen. Die Überzeichnung verdeutlicht umso mehr, wie wichtig und dringlich der Glasfaserausbau in den Städten und Gemeinden in Deutschland ist. Viele unserer Bürgermeister*innen stellen sich die Frage, ob der Bundesregierung die Tragweite dieser Entscheidung bewusst ist. Für die jetzt vom Förderstopp betroffenen Kommunen ist dies eine weitere nicht erwartete und letztlich nicht verkraftbare Hiobsbotschaft. Auch bei uns liegen viele Maßnahmen, teils mit jahrelangem Vorlauf geplant, als vorbereitete Anträge auf den Rathaus-Schreibtischen. Der Handlungsdruck ist enorm, die Finanzierungslücken in unseren Städten und Gemeinden millionenschwer. Eine zukunftsfähige Gigabit-Infrastruktur ist in vielerlei Hinsicht ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in der Gemeindeentwicklung, nicht nur für unsere Unternehmen.

 

Wir sind uns sicher, dass der Bundesregierung und dem zuständigen Bundesministerium an der Herstellung von Chancengleichheit und gleichwertigen Lebensbedingungen in Stadt und Land gelegen ist, exakt so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

 

Unser Netzwerk hat Sorge, dass 2023 ein Programm mit einem Volumen von drei Milliarden EUR weiter nur einen Teil des Bedarfs befriedigen kann und einen noch stärkeren kommunalen Verdrängungswettbewerb zur Konsequenz hat. Die jetzt getroffenen Entscheidungen führen zu Verzögerungen in der Praxis von bis zu 24 Monaten.

 

Zeit, die uns fehlt, um gleichwertige Lebensbedingungen sicherzustellen. Zeit, die uns in einer immer dynamischeren Welt fehlt, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Zeit, die uns fehlt, um unsere Städte und Gemeinden noch digitaler und noch zukunftsfähiger zu machen.

 

Die Städte und Gemeinden sind bereit den Glasfaserausbau weiterhin zu forcieren.

Schaffen können wir dies nur gemeinsam.

 


Aktuelles 11.11.2022

"Rheinland-Pfälzerin wird neue jüngste hauptamtliche Bürgermeisterin Deutschlands“

Maren Busch heißt die künftige Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Diez im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz. Die 26-jährige, geboren im August 1996, ist damit neue jüngste hauptamtliche Bürgermeisterin Deutschlands. Schon im ersten Wahlgang setzte sie sich am vergangenen Sonntag mit 51,5% gegen zwei Mitbewerber*innen durch, darunter den Amtsinhaber.

 

Anna-Lisa Bohn (*Februar 1996) und seit Oktober 2022 Bürgermeisterin der Gemeinde Ellenberg (Ostalbkreis), war nach unseren Daten die bisher jüngste hauptamtliche Rathauschefin der Republik. Yvonne Heine die im Oktober 2020 zur Bürgermeisterin von Riedhausen (Landkreis Ravensburg) gewählt wurde ist ebenfalls Jahrgang 1996, aber einen Monat älter.

 

Sina Römhild, seit diesem Sommer ehrenamtliche Bürgermeisterin in Oechsen in Thüringen ist Geburtsjahr 1998. 


Aktuelles 19.09.2022

Zusammenarbeit ist der Schlüssel zum erfolgreichen Wiederaufbau der Ukraine der Nachkriegszeit

„Ich fordere die Städte und Gemeinden Deutschlands auf, Partnerschaften in der Ukraine zu etablieren.“ IWAN FEDOROW, BÜRGERMEISTER VON MELITOPOL 

 

Heute steht die Ukraine im Fokus der Aufmerksamkeit der gesamten Weltgemeinschaft. Auch Deutschland leistet dem ukrainischen Volk aufrichtig seine umfassende Hilfe und Unterstützung. Ein wichtiger Bereich der Partnerschaft ist die Zusammenarbeit zwischen deutschen und ukrainischen Städten und Gemeinden, die sich aufgrund der russischen Aggression in einer schwierigen Situation befinden.

 

Melitopol ist ein typisches Beispiel. Die Industriestadt in der Region Saporischschja im Südosten der Ukraine ist seit einem halben Jahr besetzt, gibt aber nicht auf. Ganz Europa kennt diese moderne und zugleich gemütliche Stadt, die in ihren Leistungen und ihrem Entwicklungstempo einzigartig ist.

 

Ich bin 33 Jahre alt. Ich habe meine Karriere im Familienunternehmen begonnen. Parallel dazu habe ich Wirtschaftswissenschaften und Management studiert. Schnell wurde ich zu einem erfolgreichen Unternehmer und ich interessierte mich für Kommunalpolitik. Schon früh wurde ich Mitglied des Stadtrates. Dort habe ich die falsche Seite des Stadtmanagements kennengelernt: Korruption und Verantwortungslosigkeit, mangelnde Initiative und zu geringe Investitionen. Infolgedessen fehlte die Entwicklung der Stadt.

 

Mein Geschäftssinn, gepaart mit großem Bürgersinn haben mich dazu motiviert, Lösungen für die dringenden Probleme meiner Stadt zu suchen. Ich traf Gleichgesinnte im Business Club „Partnerschaft und Entwicklung“, der von bekannten Geschäftsleuten und Gönnern aus Melitopol gegründet wurde. Die Vereinsmitglieder haben bisher auf eigene Kosten schon viele interessante und nützliche Projekte und Ideen für die Bewohner der Stadt umgesetzt.

 

2014 verließ ich das elterliche Unternehmen und begann mich auf die Entwicklung der Stadt zu konzentrieren. Ich wurde zu einem der Leiter eines neuen Teams in der Stadtverwaltung von Melitopol und führte dort völlig neue Prinzipien und Arbeitsansätze ein. Null Toleranz gegenüber Korruption, maximale Transparenz bei der Arbeit, effiziente Verwendung von Haushaltsmitteln, Schaffung innovativer Projekte und gezielte Gewinnung von Investitionen für die Stadtentwicklung.

Ein professionelles und geschlossenes Team ist das wertvollste Gut. In nur wenigen Jahren gelang meinem Team das Unmögliche: Melitopol von einer depressiven Provinzstadt in eine blühende, erfolgreiche und moderne europäische Stadt zu verwandeln. Anerkennung und Unterstützung für unsere Arbeit fanden wir auch bei einflussreichen internationalen Partnern, darunter die Europäische Investitionsbank, Northern Environmental Finanzgesellschaft NEFCO, USAID, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und dem Ukrainischen Sozialinvestitionsfonds der durch die deutschen Regierung und die Kfw-Bank unterstützt wird.

 

„Die Hauptprinzipien und Prioritäten in der Arbeit: Null Toleranz für Korruption, maximale Transparenz, Anziehung von Investitionen für die Schaffung innovativer Projekte“

 

Unser Team begann mit der Einführung energiesparender Technologien und der Modernisierung des städtischen Straßenbeleuchtungssystems. Es folgten Investitionen in die Modernisierung der Wärmeversorgung von Kindergärten, Schulen, medizinische Einrichtungen und Sozialheimen. Wir konnten auf nationaler Ebene viele Fördermittel für den Wiederaufbau der städtischen Infrastruktur, der Kommunikation, der Straßen und den Bau großer Sportanlagen mobilisieren (oder gewinnen). Von 2015 bis 2020 wurden Investitionen in Höhe von mehr als 450 Millionen Euro in die Stadt gelockt.

Im Jahr 2020 wurde ich schließlich zum Bürgermeister von Melitopol gewählt – 61% der Bürgerinnen und Bürger meiner Stadt unterstützten mich mit ihrer Stimme.

 

Das nächste Jahr 2021 war ein Durchbruch in der Entwicklung der Stadt. 15 weitere Modernisiorungsprojekte wurden umgesetzt: Die besten Krankenhäuser der Ukraine, Schulen, Sport- und Kultureinrichtungen und sogar eine Eisarena (die die Stadt im Süden noch nie zuvor gesehen hat) sind entstanden. Die Pläne für die Entwicklung von Melitopol für die Jahre 2022-2024 waren noch ehrgeiziger, aber der Krieg verhinderte ihre Umsetzung. Am 25. Februar 2022 wurde die Stadt wurde als eine der ersten ukrainischen Großstädte von der russischen Armee besetzt. Ich weigerte mich kategorisch, mit den Besatzern zusammenzuarbeiten und richtete meine Bemühungen darauf in Melitopol weiterhin ein normales Leben für die Bevölkerung zu ermöglichen. Aufgrund meiner Widerspenstigkeit und Aktivitäten wurde ich gefangen genommen. Die ganze Stadt erhob sich zur Verteidigung ihres Bürgermeisters, meine Entführung erregte national und international großes Aufsehen. Aufgrund der Intervention der internationalen Gemeinschaft und des persönlichen Eingreifens des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, wurde ich schließlich wieder freigelassen. Dafür bin ich auch allen Beteiligten und allen Bürgern von Melitopol dankbar, die dies möglich gemacht haben.

 

Heute führe ich meine Amtsgeschäfte als Bürgermeister von Saporischschja aus, das von der Ukraine kontrolliert wird. Dort habe ich ein Hauptquartier geschaffen, um die humanitären Hilfen für die aus der besetzten Stadt sowie der gesamten Region Melitopol evakuierten Bewohner zu koordinieren. Ich nutze jede Gelegenheit, um die Welt über die tatsächliche Situation in der Ukraine zu informieren und um Hilfe im Kampf gegen den Aggressor aufzurufen.

 

Ich glaube fest an dem Sieg der Ukraine und natürlich an der Befreiung meiner Heimatstadt Melitopol und tue alles, damit dieser Tag so schnell wie möglich Realität wird.

 

Entscheidend für den Wiederaufbau

 

Ich bin überzeugt davon, dass die Zusammenarbeit auf der Ebene der Bürgermeister ukrainischer und europäischer Städte und Gemeinden entscheidend für den zukünftigen Wiederaufbau der Ukraine und ihrer Kommunen nach dem Krieg ist. Darum fordere ich die Städte und Gemeinden Deutschlands auf, schon jetzt Partnerschaften in der Ukraine zu etablieren. Heute geht es vor allem um Solidarität und Wiederaufbau, in Zukunft aber um gegenseitiges Interesse und fruchtbaren Austausch. Zu diesem Zweck können Sie sich an die Botschaft der Ukraine in Deutschland wenden – sie werden Sie mit den ukrainischen Städten „matchen“, die jetzt nach neuen internationalen Kooperationen suchen.

 

Melitopol musste ein anschauliches Beispiel erfolgreicher dezentralisierter Regierungsführung werden. Und es liegt immer noch in unserer Hand, dies im Leben umzusetzen. Einerseits mit der Unterstützung der Befreiung des ukrainischen Territoriums und andererseits mit dem Aufbau neuer Partnerschaften mit den befreiten ukrainischen Orten sowie mit der Herstellung von Verbindungen zu den echten Bürgermeistern der besetzten Städte und Gemeinden, die nach der Besetzung oft fliehen mussten, aber ihren engagierten Kampf für ihre ukrainische Orte weiter fortsetzen.

 


Aktuelles 27.06.2022

Bundesweiter Verein junger Bürgermeister*innen gegründet

Neuer Bundesvorstand des „Netzwerk der Jungen Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland e.V.“ hat sich in Berlin konstituiert.

 

Im Rahmen des Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebund trafen sich am vergangenen Montag zwölf junge Bürgermeister*innen in Berlin. Anlass war die Gründungsversammlung des „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland e.V.“.

 

Zentrale Aufgabe des parteiunabhängigen Vereins ist laut Satzung „… die Beratung und Information über Entwicklungen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene sowie die Interessenvertretung. Darüber hinaus versteht sich der Verein als Plattform für den Erfahrungsaustausch der Bürgermeister*innen untereinander und zur Stärkung der kommunalpolitischen Handlungskompetenz seiner Mitglieder.

 

Das Netzwerk wurde schon 2019 unter dem Dach des Innovators-Club, der kommunalen Ideenschmiede des Städte- und Gemeindebunds, als loser Verbund ins Leben gerufen. Zielgruppe: junge Bürgermeister*innen, die bei ihrer letzten Wahl jünger als 40 Jahre alt waren. Diese verbindet oft eine andere, junge Sicht auf die kommunalen Dinge. Und sie stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Wie nimmt man als junger Mensch die Rolle des Verwaltungsoberhauptes an? Wie treibt man Innovationen zu den wichtigen kommunalen Zukunftsthemen voran?

 

Stark gewachsen.

Umfasste der Verteiler 2019 nur etwas über 250 junge Rathauschefs, vertritt das Netzwerk mittlerweile die Interessen von mehr als 700 Bürgermeister*innen. Das bundesweit agierende Netzwerk erfreut sich großem Zuwachs, da sich immer häufiger jüngere Kandidierende bei Kommunalwahlen durchsetzen. So ist auch die Wahrnehmung des Netzwerks beständig gewachsen. Es gab schon mehrere Zusammentreffen mit Bundespräsident Steinmeier. Zum Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht das Netzwerk mit Vertreter*innen der jungen Gruppen der Bundestagsfraktionen von FDP, B90/Grünen, SPD und von CDU/CSU im Austausch. Über das öffentliche Statement der jungen Bürgermeister*innen zum Thema steigender Gewalt und Bedrohung kommunalen Mandatsträger*innen wurde auch von tageschau.de, Spiegel online oder n-tv berichtet. Auch in Ministerien und Verbänden findet das Netzwerk zunehmend Gehör.

 

Institutionalisierung

Das Netzwerk wird nun strukturell an die gestiegenen Aufgaben angepasst: „Um unserer Arbeit mehr Nachdruck zu verleihen, haben wir uns dazu entschieden, diese in eine eigenständige Institution zu überführen und den Verein „Netzwerk der Jungen Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland e.V.“ zu gründen, auch weil man sich so besser positionieren und mit staatlichen Stellen vernetzen kann.“ so Michael Salomo, Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim an der Brenz, bei der Gründungsversammlung. Salomo, der 2019 auch Initiator des Netzwerkes war, wurde dort einstimmig zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt.

 

Seine Stellvertreter sind Julia Samtleben (Stockelsdorf, Schleswig-Holstein), Frank Nase (Barleben, Sachsen-Anhalt) und Dominik Brasch (Bad Soden-Salmünster, Hessen). Martin Aßmuth (Hofstetten, Baden-Württemberg) komplettiert als Schatzmeister mit Schriftführerin Wiebke Sahin-Schwarzweller (Zossen, Brandenburg) den sechsköpfigen geschäftsführenden Vorstand, der für drei Jahre gewählt wurde.

 

Verbandsgeschäftsführer Henning Witzel leitet das Hauptstadtbüro in Berlin und organisierte bereits in den vergangenen Jahren viele Termine mit Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft.

Direkt nach der Gründung setzte das Netzwerk die Arbeit fort und überreichte der Bundesministerin des Innern, Nancy Faeser (SPD), eine von 34 Bürgermeister*innen unterzeichnete Forderung zum Thema Sonderförderprogramm Sirenen zum Schutz der Bevölkerung.

 

Jahrestagung im September

Als nächste Veranstaltung ist das Jahrestreffen in Berlin im September geplant. Dort werden über 200 Bürgermeister*innen zum fachlichen Austausch erwartet. Auch der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), oder der Chef des Deutschen Beamtenbundes Silberbach haben ihre Teilnahme bereits zugesagt.


Aktuelles 23.06.2022

„Von Vorurteilen nicht abhalten lassen – Zukunft mitbestimmen!“

Deutschlands jüngste Bürgermeisterin kommt ab dem 1. Juli 2022 aus Thüringen

Die 24-jährige Sina Römhild wird Bürgermeisterin in Oechsen

Der inoffizielle Titel „Deutschlands jüngste Bürgermeisterin“ geht nach Thüringen. Am 12. Juni 2022 wählten die Bürger*innen der Gemeinde Oechsen im thüringischen Wartburgkreis Sina Römhild im Alter von 24 Jahren und 5 Monaten zur neuen ehrenamtlichen Bürgermeisterin. Amtsantritt ist der 1. Juli 2022.

 

Mit 84,1 Prozent der Stimmen setzte sich Sina Römhild gegen Mitbewerberin Heidrun Jacob durch. Amtsinhaber Wilfried Bleisteiner (67 Jahre) war nicht mehr zur Wiederwahl angetreten. Die parteilose Verwaltungswirtin erhielt 84,1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Hauptberuflich arbeitet die 24-jährige im Landratsamt des Wartburgkreises. Aufgrund der rechtlichen Vorkenntnisse, die ihre Arbeit mit sich bringt, hat sie sich überhaupt erst entschieden, sich als Bürgermeisterkandidatin aufstellen zu lassen. Ihrem Alter will Römhild aber keine allzu große Rolle zuschreiben. Ihr Aufruf: "Wenn ihr euch für Kommunalpolitik interessiert und gerne etwas verändern möchtet, solltet ihr euch von Vorurteilen bezüglich des Geschlechts oder des Alters nicht abhalten lassen. Nur wenn ihr mutig seid und den Schritt in die Kommunalpolitik wagt, könnt ihr die Zukunft eurer

Gemeinde mitbestimmen."

 

Sina Römhild löst Yvonne Heine als jüngste Rathauschefin der Republik ab, die im vergangenen Oktober im Alter von 25 Jahren zur Bürgermeisterin von Riedhausen (Landkreis Ravensburg) gewählt wurde. Zuvor galten Antonia Walch, Bürgermeisterin der Gemeinde Sternenfels (Enzkreis) und Sarah Süß, Bürgermeisterin in Steinhagen (Kreis Gütersloh), beide Jahrgang 1992 als die jüngsten Bürgermeisterinnen Deutschlands. 

 

Ihrer „Nachfolgerin“ sendet Antonia Walch herzliche Glückwünsche: „Respekt! Bürgermeisterin mit 24 Jahren! Dazu möchte ich aus Baden-Württemberg ganz herzlich gratulieren. Der inoffizielle Titel der Jüngsten Bürgermeisterin geht an eine tolle, motivierte und engagierte junge Frau. Für die Ausübung unseres großartigen Amtes wünsche ich Sina viel Erfolg, Durchsetzungsvermögen, richtige Entscheidungen und eine gute Portion Gelassenheit.“

 

Auch Michael Salomo, Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz und Sprecher des parteiübergreifenden Netzwerk Junge Bürgermeisterinnen - sowie selbst bei seiner ersten Wahl 2014 mit 25 jüngster Bürgermeister in Deutschland - freut sich mit Sina Römhild „Seit der Gründung des Netzwerks 2019 ist zu beobachten, dass junge Menschen immer häufiger aktiv für ihre Kommune Verantwortung übernehmen und die Zukunft gestalten wollen. Und gerade als Bürgermeisterin ist Sina Römhild so auch Vorbild über ihre eigene Kommune hinaus.“

 

Frauen sind in der Kommunalpolitik, besonders aber in Führungspositionen der Verwaltung, nach wie vor stark unterrepräsentiert. Nach einer Studie des Instituts EAF Berlin aus dem Oktober 2020 ist nicht einmal jedes zehnte Rathaus von einer Frau geleitet. Ihr Anteil liegt bei neun Prozent und stagniert damit seit Jahren auf niedrigem Niveau. Leichte Unterschiede zeigen sich hinsichtlich des Alters. Hier gilt, je jünger desto höher der Anteil von Frauen. Aber auch im Netzwerk Junge Bürgermeister*innen beträgt der Frauenanteil nur 13%. 


Aktuelles 19.2.2022

Statement junger Bürgermeister*innen zur deutlichen Radikalisierung im Umfeld der Kritik an der Corona-Politik

 

27 junge Bürgermeister*innen verurteilen Bedrohung von Amtsträger*innen

„Seit Dezember häufen sich Vorfälle, welche nicht hinnehmbar sind.“ so die jungen Bürgermeister*innen. Exemplarisch hingewiesen wird auf die Fackel-Aufmärsche vor den privaten Wohnsitzen der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping und aktuell des jungen Amtskollegen Daniel Szarata, Oberbürgermeister von Halberstadt. Auch Morddrohungen, wie im Fall von Oberbürgermeister Christof Bolay (Ostfildern) gibt es.

 

Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen berichten über Drohschreiben aus dem Umfeld des selbsternannten "Major Jansen". Der inzwischen Festgenommene hatte öffentlich Todesurteile verhängt aber auch die Adressen von über 10.000 kommunalen Amtsträgern veröffentlicht. „Insgesamt geraten die Kommunen immer stärker in den Focus.“ stellen die jungen Bürgermeister*innen fest.

Die 27 Unterzeichner*innen aus dem Netzwerk Junge Bürgermeister*innen verurteilen diese Ereignisse aufs Schärfste. Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele stellt grundsätzlich einen Angriff auf unsere offene Gesellschaft dar. „Gerade kommunale Amtsträger können leicht zu Zielen werden: Für die Bürgermeister*Innen ist es wichtig, vor Ort präsent zu sein und den unmittelbaren Kontakt zu ihren Mitbürgern zu pflegen. Gleichzeitig genießen sie nicht den gleichen Schutz wie staatliche Amtsträger auf Landes- oder Bundesebene.“ heißt es in der Stellungname.

 

Keine Privilegierung für unangemeldete Versammlungen

Kritisch betrachten werden auch die oft unter der irreführenden Bezeichnung "Spaziergänge" stattfindenden Versammlungen. „Die Inanspruchnahme des Versammlungsrechts setzt grundsätzlich eine Anmeldung voraus, damit bei Bedarf eine Abwägung mit anderen betroffenen Schutzgütern getroffen werden kann. Hierzu gehören etwa auch die Rechte Dritter, der Schutz des Gemeinwesens und seiner Funktionsträger und auch die öffentliche Gesundheit“. Kritiker der Corona-Maßnahmen werden zudem aufgefordert sich klar gegen Systemgegner zu positionieren.

Download
Statement junger Bürgermeister*innen zur Bedrohung von Amtsträgern - Berlin, 19. Februar 2022
Statement NJB Angriffe_Spaziergänger_Upd
Adobe Acrobat Dokument 116.3 KB

Aktuelles 20.11.2021

„Ich wünschte, es hätte damals solch einen Kreis gegeben.“

Bericht vom Netzwerkabend beim Jahrestreffen der Jungen Bürgermeister*innen

Reich mir den Ellenbogen zum Gruß: Beim Auftaktabend trifft Kennenlern- auf Wiedersehensfreude. Langjährige Politiker loben die neuen Wege der Jugend. Und Unternehmer Carsten Maschmeyer erklärt, warum er Zeit mit der Familie wichtiger findet als ein überarbeitetes Papier.

 

Vor der Tür noch einen Schnelltest machen, den Impf- oder Genesenennachweis vorzeigen, dann geht es los: Das Netzwerktreffen beginnt mit vielen strahlenden Gesichtern. Um weiß gedeckte Stehtische versammeln sich junge Menschen in Kleid, Hemd, Sakko, nicken sich zu, klopfen sich auf den Rücken, strecken die Ellenbogen hin zum Gruß. Stimmengewirr mischt sich mit Lachen, „Hallo“ und „Wie schön!“ und „Du auch hier!“ schallt es durch den Saal. „Man hört es am Geräuschpegel – die Kolleginnen und Kollegen haben den Austausch vermisst“, sagt Michael Salomo, Oberbürgermeister von Heidenheim und Sprecher des Netzwerks. Er steht auf der Bühne im Palais der Berliner Kulturbrauerei, lässt den Blick schweifen und strahlt, als er Amtsträger*innen von Bayern bis Schleswig-Holstein, vom ländlichen Sachsen-Anhalt bis Ostfriesland im Raum sichtet. „Ihr seid es, die der Politik täglich ein Gesicht verleihen“, sagt Salomo, der selbst schon mit 25 Jahren Bürgermeister war.

 

Schon bald wird deutlich, dass dieses Treffen zwei Schwerpunkte hat: zum einen, sich endlich leibhaftig zu sehen und nicht nur als Kachel auf dem Bildschirm, bei Kaffee, Bier oder Abendsnack ins Gespräch zu kommen, in kleiner Runde Erfahrungen auszutauschen – so offen, wie man es auf einem Podium oder mit den Kolleg*innen der Nachbargemeinden wohl nicht täte. Zum anderen, in größerer Runde Herausforderungen zu diskutieren, die das Amt mit sich bringt. Zu all dem, was Kommunen ohnehin schon leisten müssen, komme jetzt zum Beispiel noch die Digitalisierung hinzu, sagt Salomo.

 „Ohne die Kommunen ist kein Staat zu machen.“ 

 

„Ohne die Kommunen ist kein Staat zu machen“, sagt auch Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Bürgermeister*in zu sein, das ist für ihn „die Königsdisziplin, das schönste politische Amt, das man sich denken kann“. Schließlich sei man verantwortlich für das gesamte Leben vor Ort. Sein Wunsch für das Netzwerktreffen: „Lasst uns darüber reden, wie wir kommunalen Interessen mehr Gehör im Bund verleihen.“ Der heute 60-Jährige war selbst mit Anfang 30 schon Bürgermeister. So jung ins Amt zu kommen, das war seinerzeit noch eher selten. „Ich wünschte, es hätte damals solch einen Kreis gegeben.“

 

Weil das Netzwerk sich als eines versteht, das Austausch nicht an Landesgrenzen festmacht, ist zum Treffen auch eine Delegation aus einem Nachbarland eingeladen. Er stehe hier „mit einem weinenden Auge, weil es solch ein Netzwerk in Österreich nicht gibt“, sagt Magister Alfred Riedl, Präsident des Österreichischen Gemeindebundes mit Blick auf die vielen Menschen im Saal. „Die Krise zeigt, dass ohne die Gemeinden fast nichts geht, mit den Gemeinden alles.“

 

Auch wenn an diesem Abend die Vier-Augen Gespräche im Mittelpunkt stehen – zum Dinnertalk mit Matthias Beer, Bürgermeister von Markt Beratzhausen, ist ein bekannter, durchaus umstrittener Gast von außen geladen. Als Carsten Maschmeyer, Finanzunternehmer und aus der TV-Serie „Die Höhle des Löwen“ bekannt, die Bühne betritt, runzelt mancher im Saal die Stirn. Andere rücken interessiert näher. „Ich bewundere das, was Sie machen“, sagt Maschmeyer. „Ich stelle mir vor, in meinem Unternehmen gibt es eine Gruppe, die sagt bei allem, was ich mache: Das ist Mist.“ In der Politik sei so etwas Alltag. Es nötige ihm auch Respekt ab, wie viel Zeit die Bürgermeister*innen in ihr Amt stecken: „Sie ziehen von Veranstaltung zu Veranstaltung. Auch am Wochenende. Nach der Wahl ist vor der Wahl.“

Maschmeyer, der selbst in Start-ups von Tel Aviv bis San Francisco investiert, appelliert zunächst an die Bürgermeister*innen, junge Unternehmen vor Ort zu fördern. „Start-ups sind die Zukunft der Wirtschaft. Helfen Sie ihnen, Räume zu finden, sich zu vernetzen.“ Öffentliche Aufträge könnten gezielt nicht nur an Traditionsunternehmen, sondern auch an Start-ups vergeben werden. Das Wichtigste bei einem Start-up sei eine Idee, die etwas einfacher oder besser macht. Und die Persönlichkeit des Gründenden. „Das größte Stoppschild im Leben ist die Angst.“ Es brauche Menschen, die mutig sind, bei Rückschlägen nicht aufgeben. „Erfolg ist ein guter Lehrer. Misserfolg ist ein besserer.“

 

Maschmeyer nutzt den Anlass auch, um Einblicke in sein neues Buch „Die sechs Elemente des Erfolgs“ zu geben. Es gab Zeiten in seinem Leben, so der 62-Jährige, da habe er 18 Stunden am Tag gearbeitet. „Ich war arbeitssüchtig. Und dann wurde ich tablettensüchtig.“ Erst habe er nur Tabletten genommen, um besser schlafen zu können. Später schluckte er 50 am Tag. Nach einem qualvollen Entzug definiert er Wege zum Erfolg heute vielfältiger. „Beruflich ist weniger mehr. Es ist wichtiger, Freunde zu treffen, was mit der Familie zu machen, als noch ein Paper zu überarbeiten. Sie haben dann mehr Ideen, mehr Inspiration.“ Man solle sich gut ernähren, „und nicht nur nachts um eins die Minibar im Hotel leer essen“. Und die Potenziale der Mitarbeiter*innen nutzen.

 

Je persönlicher Maschmeyer wird, desto konzentrierter lauschen die Menschen im Saal. Wie man es schafft, auf sich selbst zu achten, wenn der Job einen rund um die Uhr fordert – das sind Überlegungen, in denen sich auch Bürgermeister*innen wiederfinden.  

 


Aktuelles 1.10.2021

Deutschlands jüngster Bürgermeister kommt zum ersten Mal aus Niedersachsen.

Der 25-jährige Henning Evers wird Bürgermeister der Samtgemeinde Hankensbüttel

 

Bisher war der inoffizielle Titel „Deutschlands jüngster Bürgermeister“ vor allem  Amtsträgern aus Süddeutschland vorbehalten. Nun geht er nach Angaben des parteiübergreifenden Netzwerks Junge Bürgermeister*innen zum ersten Mal in den Norden der Republik. Am 12. September wählten die Bürger der Samtgemeinde Hankensbüttel im niedersächsischen Landkreis Gifhorn Henning Evers im Alter von 25 Jahren und 2 Monaten zum neuen Samtgemeindebürgermeister. „Ich freue mich, nach einem echten Wahl-Krimi mein Amt im November antreten zu können“, so Evers, der die Wahl mit  40 Stimmen Vorsprung gegen seinen Mitbewerber gewann.

 

Glückwünsche aus ganz Deutschland

Der Sprecher des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen, Michael Salomo, Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz, freut sich mit Evers: „2014 startete ich selbst als Deutschlands jüngster Bürgermeister und schon damals war es mir ein Anliegen, eine überparteiliche Institution junger Kolleginnen und Kollegen zum Ideenaustausch zu etablieren. Seit der Gründung des Netzwerks 2019 ist zu beobachten, dass immer häufiger junge Menschen aktiv für ihre Kommune Verantwortung übernehmen und die Zukunft gestalten wollen. Mit Henning Evers findet das eine gute Fortsetzung.“

Auch der amtierende jüngste Bürgermeister Deutschlands, Christian Keck, 1. Bürgermeister der Gemeinde Rohrbach an der Ilm, sendet Glückwünsche: „Gratulation aus Oberbayern zu deinem Wahlerfolg! Gerne gebe ich den inoffiziellen Titel des jüngsten hauptamtlichen Bürgermeisters nach Niedersachsen weiter und wünsche dir für das erste Amtsjahr viel Energie, Gelassenheit und richtige Entscheidungen.“ Und Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), betont in seinem Glückwunsch an Evers: „Es ist wichtig, dass junge Menschen in der Kommunalpolitik an allen Stellen repräsentiert sind. Junge Bürgermeister sind Vorbilder auch über ihre eigene Kommune hinaus und zeigen, dass sich kommunales Engagement lohnt.“

 

Henning Evers, geboren am 30. Juni 1996 in Gifhorn, wuchs in der Samtgemeinde Hankensbüttel auf. Nach dem Abitur 2014 absolvierte er ein Studium an der Europa-Universität Flensburg. In Flensburg war der Sozialdemokrat bis vor Kurzem auch gut anderthalb Jahre Mitglied des Stadtrates.

 

Selbstironische Kampagne: „Henning kann‘s nicht …”

Sein Alter machte Evers im Wahlkampf bewusst zum Thema: „Natürlich gab es auch bei mir im Vorfeld der Wahl Vorbehalte bezüglich meines Alters. Obwohl mich das manchmal etwas ärgert, kann ich diese Vorbehalte auch teilweise verstehen.“ Er hat sich darum entschieden, sein junges Alter und die damit verbundene Kritik gezielt und selbstironisch mit Plakaten, Zeitungsanzeigen und einer Großflächentafel aufzugreifen. „Die Reaktionen waren großartig“, ist sein positives Fazit.

 

Für sein Amt hat sich Henning Evers einiges vorgenommen: „Als Teil der jungen Generation bin ich angetreten, um unsere ländlich geprägte Umgebung fit für die Zukunft zu machen. Gerade aufgrund meines jungen Alters bringe ich neue Ideen, Perspektiven, Tatendrang und Leidenschaft mit ins Amt.“

Mit dieser Einstellung passt der 25-Jährige auch hervorragend ins Netzwerk Junge Bürger-meister*innen. Direkt nach seiner Wahl hat er sich zum Jahrestreffen des Netzwerks am 18. und 19. November in Berlin zum Austausch mit vielen jungen Amtskolleginnen und -kollegen angemeldet. 


Aktuelles 3.2.2021

Unsere Hall of Fame!

 

Jüngster Bürgermeister Deutschlands ist - Stand Februar 2021 - Kristan von Waldenfels, 20 Jahre, ehrenamtlicher erster Bürgermeister in Lichtenberg im Landkreis Hof. Johannes Böse auf Platz 2, Bürgermeister von Landensberg (LK Günzburg), ist mit Jahrgang 1996 schon vier Jahre älter. Gefolgt von den beiden jüngsten hauptamtlichen Bürgermeistern Deutschlands Christian Keck, erster Bürgermeister in Rohrbach (Landkreis Pfaffenhofen) und Thomas Reicherzer in Wittislingen (Landkreis Dillingen), beide Jahrgang 1995.

 

Die jüngsten Bürgermeisterinnen Deutschlands sind Antonia Walch, Bürgermeisterin der Gemeinde Sternenfels (Enzkreis) und Sarah Süß, Bürgermeisterin in Steinhagen (Kreis Gütersloh), beide Jahrgang 1992.

 

Seit 15.1.21 in Göppingen im Amt ist der jüngste Oberbürgermeister Deutschlands. Alexander Maier ist Jahrgang 1991. Er hat Peter Reiß (*1990) abgelöst, der im März 2020 zum Oberbürgermeister der Stadt Schwabach gewählt wurde. Dritter im Bunde und zugleich jüngster Oberbürgermeister einer Großstadt ist Felix Heinrichs (*1989), seit 1.11.20 Oberbürgermeister von Mönchengladbach. Bei den Oberbürgermeisterinnen gibt es gleich vier junge Frauen mit Jahrgang 1983 an der Spitze. Stefanie Seiler aus Speyer, Romina Barth in Torgau, Claudia Alfons in Lindau und Katrin Albsteiger aus Neu Ulm.

 

Der jüngste Landrat Deutschlands amtiert im Landkreis Nordfriesland. Der 33 jährige Florian Lorenzen wurde im Mai 2019 durch den Kreistag ins Amt gewählt. Zweiter und jüngster direkt gewählter Landrat ist Markus Ramers (Jahrgang 1986) im Landkreis Euskirchen, vor Onno Eckert (*1985) im Landkreis Gotha. Leider erübrigt sich hier der Blick auf die jüngste Landrätin, da es keine Landrätin gibt, die bei ihrer Wahl jünger als 40 Jahre alt war.


Aktuelles 1.11.2020

Junge Bürgermeister*innen in NRW erfolgreich.

Alle amtierenden jungen Bürgermeister*innen gewinnen Ihre Direktwahl - viele junge Kandidat*innen kommen neu ins Amt.

 

Das beste Ergebnis erzielte Martin Mertens in Rommerskirchen mit 88,6%. Über 70% der Stimmen erzielten bei ihrer Wiederwahl Christian Pospischil aus Attendorn, Tobias Stockhoff aus Dorsten, Sascha Solbach in Bedburg, Christina Rählmann in Mettingen und Henning Gronau aus Erndtebrück. Sehr gute Ergebnisse konnten auch Eric Lierenfeld mit 63% in Dormagen, Daniel Zimmermann mit 68% in Monheim und Michael Meyer-Hermann aus Versmold (65%) erreichen. Wiedergewählt im ersten Wahlgang sind auch Nicole Sander in Neukirchen-Seelscheid und Andreas Müller als Landrat im Landkreis Siegen-Wittgenstein.

 

Im ersten Wahlgang neu gewählte junge Bürgermeister*innen sind u.a. Benjamin Fadavian in Herzogenrath und Katrin Reuscher in Sendenhorst. Der parteilose Michael Gerdhenrich hat in Beckum 50,7 Prozent der Stimmen geholt. Auch in Wilnsdorf gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen das am Ende der 36-Jährige Hannes Gieseler für sich gewinnen konnte. Mit 52,6 Prozent wird er neuer Bürgermeister.

 

Bei den Stichwahlen, setzten sich die Erfolge der Jungen fort.

 

Neuer Oberbürgermeister von Mönchengladbach wird der 31 Jährige Felix Heinrichs. Der Sozialdemokrat gewinnt die Stichwahl mit 74% der Stimmen. Der parteilose Peter Horstmann, (*1985) gewinnt in Warendorf mit über 76% die Stichwahl deutlich gegen Amtsinhaber Axel Linke (CDU/FDP). Neuer Bürgermeister von Werther wird der ehemalige Landesvorsitzende der Jusos NRW, Veit Lemmen (*1984). Auch Marco Diethelm (*1987), schon seit Anfang an beim Netzwerk Junge Bürgermeister*innen dabei, gewinnt seine Stichwahl. Mit 50,7 % bleibt er Bürgermeister in Herzebrock-Clarholz.

 

Die Christdemokratin Carolin Weitzel (*1980) wird neue Bürgermeisterin in Erftstadt. Sie erzielte 52,6% der Stimmen. Der Sieger der Bürgermeister-Stichwahl in Hennef heißt Mario Dahm. Er wird mit 31 Jahren der jüngste Bürgermeister im Rhein-Sieg Kreis. 

 

Marcel Mittelbach (30) wird neuer Bürgermeister von Waltrop. Der SPD-Politiker löst mit  63,96 Prozent die amtierende Bürgermeisterin Nicole Moenikes ab. Markus Ramers wird neuer Landrat für den Kreis Euskirchen. In der Stichwahl setzte sich der 35 Jährige mit 60,4 Prozent durch. In der Stadt Euskirchen setzte sich der parteilose Sacha Reichelt (*1980) in der Bürgermeisterstichwahl mit 59,2 Prozent der Stimmen überraschend deutlich durch. Jüngste im Bunde ist Sarah Süß (28 Jahre) die mit 61,4% die Stichwahl in Steinhagen gewonnen hat.

 


Aktuelles 2.5.2020

Über 500!

 

Mitte/Ende März fanden die Kommunalwahlen in Bayern statt. Bei über 2000 Kommunen war es leider etwas schwierig, den Überblick zu behalten, ob und wo einE JungeR Kolleg*in sich bei der Direktwahl erfolgreich durchgesetzt hatte. Um so größer die Freude, als vor wenigen Tagen die neue Bürgermeisterliste des Bayerischen Landesamtes für Statistik veröffentlicht wurde. 

 

178 der 1.259 hauptamtlichen (Ober-)Bürgermeister*innen in Bayern sind Jahrgang 1980 oder jünger.

 

Das sind über 14% aller Rathauschefs im Freistaat, bedeutend mehr als vor der Wahl. Dazu kommen noch 81 ehrenamtliche erste Bürgermeister*innen. Ein beeindruckender Wert. Herzlichen Glückwunsch an alle neu- oder wiedergewählten Kolleginnen und Kollegen.

Somit umfasst unsere Liste der Jungen Bürgermeister*innen bundesweit nun über 500 Namen!